Harte Tage im patagonischen Frühling
Mit großen Hoffnungen war das deutsche Team „adidas Natventure“ bei der Weltmeisterschaft 2004 im Adventure Racing „The Raid“ gestartet. Doch die schwierigste Etappe zum
Gipfel des 3.775 Meter hohen Vulkans Lanin brachte eine böse Überraschung für die vier Abenteuersportler.
Die Sonne war noch nicht aufgegangen und das Wasser schwappte wie eine träge schwarze Masse an das Ufer des Lago Lacar. Eine strenge Brise strich über den See,
der ewige Westwind der Anden. Ein Morgen wie jeder andere im patagonischen Frühling, wenn da nicht eine aufgeregte Horde bunt gekleideter Fremdlinge gewesen
wäre, die hektisch knallrote Gummiboote zum Wasser trug.
5 Uhr 30 Ortszeit, San Martin de los Andes, Argentinien. In einer halben Stunde würde der Startschuss zur
Weltmeisterschaft im Abenteuer-Rennen fallen. Doch Teamkapitän Marc Pschebizin aus Wittlich, seine Freundin Tine Tretner, der Schweizer Daniel Keller und Thomas Raach aus
Bad Heilbrunn ließen sich von der Nervosität ihrer Konkurrenten nicht anstecken – zumindest merkte man es ihnen nicht an. Sie hatten sich mit Haferbrei und Bananen zum Frühstück
gestärkt – „so gut das halt um diese Uhrzeit schon geht“, fügte Pschebizin grinsend hinzu.
Das einzige deutsche Team „adidas Natventure“ hatte es weit gebracht: Nur die besten Teams, die in vier Qualifikationswettkämpfen genug Punkte
gesammelt hatten, wurden zur WM geladen. Schon nach zwei Entscheidungsrennen in Marokko und Frankreich/Italien war für die Deutschen klar, dass es für die Weltmeisterschaft reichen würde.
Doch es blieb ihnen keine Zeit, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Die Konkurrenz würde stark sein – die besten Abenteuersportler der Welt. Ein hartes Trainingsprogramm stand
bevor. Bei strömendem Regen kletterten die Extremsportler bis zum Gipfel der Zugspitze und sogar noch wenige Tage vor dem Wettkampf erklommen sie einen aktiven Vulkan in Chile.
Punkt sechs Uhr fiel der Startschuss. Die Teams rannten zu ihren Booten und paddelten, was das Zeug hielt. Das
Rennen war eröffnet und schon von der ersten Minute an war klar, dass es bei weitem nicht alle der 25 gestarteten Teams bis zum Ziel schaffen würden. „Wir rechnen damit, dass etwa zehn Mannschaften
durchhalten werden“, schätzte Race-Direktor Sylvain Thuault, der die Route eigenhändig erkundet hatte. Doch noch waren Pschebizin und sein Team zuversichtlich, auch wenn ausgerechnet das Paddeln
nicht gerade ihre Stärke sei, wie der 31-jährige zugab.
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Adventure Racing ist die Härteprüfung für jeden Extremsportler. Die Rennen, die an den entlegendsten Winkeln dieser Erde stattfinden, verlangen nicht nur große Vielseitigkeit von
ihren Teilnehmern, sondern auch enormes Durchhaltevermögen. In Zahlen lässt sich nur schwer ausdrücken, welche Strapazen den Teams bei der Weltmeisterschaft bevorstanden: 664 Kilometer durch die wilde,
unberührte Natur Patagoniens, jener Gegend Südamerikas, die schon seit jeher Abenteurer und Entdecker anzog. 11.000 Höhenmeter waren insgesamt zu bezwingen, davon allein 3
.775 Meter auf den höchsten Berg der Region, den erloschenen Vulkan Lanin. Die Route würde sie über Gletscher führen, über wilde Flüsse, Seen, dichte Bambuswälder, staubige Gebirgsstraßen und Lavafelder.
Die Strecke war in 18 Etappen unterteilt, die mit unterschiedlichen Mitteln zu bewältigen waren. Zu Fuß, auf dem Mountainbike, kletternd, auf Inlineskates und auf dem Rücken von
Pferden. Die kalten Nächte und ungenaue Karten erschwerten ihnen das Vorankommen, denn ihren Weg mussten sich die Teams eigenhändig bahnen. Lediglich 20 Stunden Schlaf
waren verbindlich vorgeschrieben, alle anderen Pausen gingen auf das Zeitkonto der Vierer-Teams.
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Schon am ersten Tag lief es für die deutsche Mannschaft nicht ideal. In einem riesigen Waldstück aus dichtem Bambusgehölz verliefen sie sich. Der Trampelpfad war auf der Karte nicht eingezeichnet, doch
querfeldein, nur mit einem GPS-Gerät ausgestattet, kamen sie kaum voran. Mit blutig zerkratzten Beinen mussten sie zum Ausgangspunkt zurückkehren und erneut nach dem Pfad suchen. Ein Fehler, der sie
vier Stunden wertvolle Zeit kostete. Nicht nur die Deutschen hatten Probleme in diesem Abschnitt. Der Schweizer Weltmeister im Orientierungslauf Alain Berger meinte im Nachhinein: „Das war kein
Orientierungslauf, das war ein reines Ratespiel.“
Schon gegen Abend wurde es zeitlich eng für die Deutschen. Nur eine Stunde vor Ablauf des Zeitlimits,
um ein Uhr nachts, erreichten sie den nächsten Checkpoint. Und der nächste Tag sollte noch härter werden für alle Teams. Die Besteigung des Lanin stand bevor, eine Hürde, an der allein zehn Mannschaften
scheitern sollten. Als das Team „Natventure“ gegen Nachmittag den letzten Checkpoint vor dem Aufstieg erreichte, wurde ihm mitgeteilt, wegen der schlechten
Wetterverhältnisse auf dem verschneiten Gipfel sei es nun nicht mehr möglich, den Berg zu bezwingen. Das bedeutete für die Deutschen und drei weitere Mannschaften das Aus.
„Ihr wisst gar nicht, was ihr uns damit antut“, sagte Marc Pschebizin fassungslos zu den verantwortlichen Guides. Das Schlimmste, was man einem Sportler antun
könne, sei es, ihm sein Finish zu nehmen. Doch es half alles nichts. Noch am zweiten Tag wurde die Mannschaft „Natventure“ zum Aufgeben gezwungen. „Wir hätten alles andere akzeptiert, meinetwegen eine
Zeitstrafe von zehn Stunden, aber wir wollten weitermachen“, erklärte Pschebizin wieder zurück im Basislager.
Für fünfzehn Teams ging die Quälerei nach den
Anstrengungen des Lanin weiter. Einige mussten total erschöpft aufgeben, andere mit gesundheitlichen Problemen aufgrund der extremen Belastungen. Nach
fünf Tagen und knapp vier Stunden erreichte das erste Team das Ziel. Die amerikanischen Sportler von „Nike ACG/Balance Bar“ rissen begeistert die Arme in die Höhe,
als ihr Kanu wieder das Ufer von San Martin erreichte. Bis zum Eintreffen der letzten Mannschaften vergingen noch anderthalb Tage, dann wurde die Weltmeisterschaft für beendet erklärt.
Ob Pschebizin und sein Team im nächsten Jahr wieder dabei sein werden, wenn „The Raid“ nach Europa kommt und die Athleten die Alpen überqueren müssen, werden
sie sich gut überlegen. Im Moment überwiegt noch die Enttäuschung, aber vielleicht werden bis zum nächsten Jahr die Regeln der Weltmeisterschaft geändert, sodass
ein erzwungenes Ausscheiden von Mannschaften nicht mehr vorkommen kann.
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